Grüne legen stark zu – SPD und Union verlieren / Knapp die Hälfte rechnet mit vorzeitigem Aus für Große Koalition
Im ersten Politbarometer nach der Europawahl erreichen die Grünen in der Politbarometer-Projektion einen Rekordwert und liegen nur knapp hinter der CDU/CSU. Wenn am nächsten Sonntag wirklich Bundestagswahl wäre, würde sich die Union auf 27 Prozent (minus 3) verschlechtern, die SPD fiele mit nur noch 13 Prozent (minus 3) auf ihren bisher schlechtesten Wert und die Grünen kämen mit einem starken Plus auf 26 Prozent (+6). Die AfD müsste einen Punkt abgeben auf 13 Prozent, die FDP erzielte unverändert 7 Prozent und die Linke ebenfalls 7 Prozent (minus 1). Die anderen Parteien zusammen lägen bei 7 Prozent (plus 2). Damit hätte eine Koalition aus CDU/CSU und Grünen weiterhin als einziges Zweier-Bündnis eine Mehrheit.
Top Ten: Habeck auf Platz eins
Neu
zu den zehn wichtigsten Politikerinnen und Politikern zählt nach
Meinung der Befragten Jens Spahn, nicht mehr dabei ist Sahra
Wagenknecht. Bei der Beurteilung nach Sympathie und Leistung auf der
Skala von +5 bis -5 liegt jetzt Robert Habeck auf Platz eins mit einem
Durchschnittswert von 1,3 (Mai: 1,1). Weiterhin kann ihn ein
vergleichsweise großer Anteil der Befragten (48 Prozent) mangels
Bekanntheit nicht einstufen. Danach folgt ebenfalls mit 1,3 und
Unterschieden nur im Hundertstelbereich Angela Merkel (Mai: 1,4). Auf
Platz drei Heiko Maas mit 0,8 (Mai: 0,8), vor Olaf Scholz mit 0,7 (Mai:
0,8) und Christian Lindner mit 0,3 (Mai: 0,2). Markus Söder kann sich
verbessern auf 0,1 (Mai: minus 0,1), Jens Spahn steigt mit einem Wert
von 0,1 ein und Annegret Kramp-Karrenbauer verschlechtert sich sehr
stark und rutscht mit minus 0,1 (Mai: 0,7) in den Negativbereich. Andrea
Nahles kommt auf minus 0,3 (Mai: minus 0,4) und Horst Seehofer auf
minus 0,5 (Mai: minus 0,6).
Unklare Zukunft der SPD
Die
Hälfte der Befragten (50 Prozent) glaubt, dass sich die SPD nach den
vielen schlechten Wahlergebnissen wieder erholen wird. Fast genauso
viele (46 Prozent) sehen das kritisch (Rest zu 100 Prozent hier und im
Folgenden jeweils „weiß nicht“). Einzig die SPD-Anhänger sind deutlich
optimistischer, gut drei Viertel (78 Prozent) erwarten, dass es mit
ihrer Partei wieder aufwärts geht. Der Rücktritt von Andrea Nahles von
ihren politischen Ämtern ist für 31 Prozent der Befragten gut für die
Zukunft der SPD, für 36 Prozent schlecht und für 27 Prozent hat er keine
großen Auswirkungen. Die Einschätzung der SPD-Anhänger ist ganz
ähnlich: 36 Prozent bewerten den Rückzug von Nahles positiv und 39
Prozent negativ (keine Auswirkung: 23 Prozent).
Kramp-Karrenbauer mit Defiziten
Der
CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer trauen nach 41 Prozent im
März jetzt nur noch 18 Prozent zu, ihre Partei erfolgreich in die
Zukunft zu führen. 73 Prozent (März I: 44 Prozent) sind skeptisch. Auch
in den eigenen Reihen bezweifeln knapp zwei Drittel (64 Prozent) einen
Erfolgskurs unter ihrer Führung, 27 Prozent beurteilen das positiv.
Ebenfalls zurückgegangen ist der Anteil der Befragten, die
Kramp-Karrenbauer als Bundeskanzlerin für geeignet halten. Für 18
Prozent (März I: 34 Prozent) ist dies der Fall, eine deutliche Mehrheit
von 71 Prozent (März I: 51 Prozent) spricht ihr diese Fähigkeit ab. Von
den CDU/CSU-Anhängern meinen 28 Prozent, dass sie Kanzlerin kann, 59
Prozent glauben das nicht.
Zweifel an Fortbestand der Großen Koalition gewachsen
War
bisher immer eine klare Mehrheit der Meinung, dass die Regierung aus
Union und SPD bis zur nächsten Bundestagswahl 2021 halten wird, so sind
die Befragten jetzt gespalten. 47 Prozent erwarten, dass die Koalition
fortbestehen wird und 46 Prozent rechnen mit einem vorzeitigen
Auseinanderbrechen. Dabei gehen die meisten Anhänger der
Regierungsparteien (CDU/CSU: 55 Prozent; SPD: 54 Prozent) davon aus,
dass die Große Koalition bleiben wird, während die Anhänger aller
anderen Parteien dies mehrheitlich bezweifeln. Unentschieden sind die
Befragten auch in puncto Neuwahl. Käme es jetzt im Bund zu einer
Neuwahl, fänden das 38 Prozent gut, 36 Prozent schlecht und 24 Prozent
wäre es egal. Ein klares Votum für eine Neuwahl geben nur die Anhänger
der AfD (69 Prozent) und der Linken (54 Prozent) ab.
Klimapolitik: Mehrheit will schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien
Das
Thema Klimaschutz und Umwelt ist für die Befragten erstmals das mit
deutlichem Abstand wichtigste Problem in Deutschland. Die meisten
wünschen sich mehr Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien. 60 Prozent
finden, dass es da zu langsam vorangeht, für 30 Prozent ist es gerade
richtig und nur 6 Prozent meinen, der Ausbau der Erneuerbaren geht zu
schnell. Beim geplanten Kohleausstieg bis 2038 ist die Einschätzung
zurückhaltender. Hier sagen 40 Prozent, das gehe zu langsam, 37 Prozent
halten den Zeitrahmen für gerade richtig und für 16 Prozent bedeutet das
einen zu schnellen Ausstieg aus der Kohleverstromung.
Die Umfrage zum Politbarometer wurde wie immer von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen durchgeführt. Die Interviews wurden in der Zeit vom 3. bis 5. Juni 2019 bei 1.297 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten telefonisch erhoben. Dabei werden sowohl Festnetz- als auch Mobilfunknummern berücksichtigt. Die Befragung ist repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland. Der Fehlerbereich beträgt bei einem Anteilswert von 40 Prozent rund +/- drei Prozentpunkte und bei einem Anteilswert von 10 Prozent rund +/- zwei Prozentpunkte. Daten zur politischen Stimmung: CDU/CSU: 27 Prozent, SPD: 13 Prozent, AfD: 9 Prozent, FDP: 7 Prozent, Linke: 6 Prozent, Grüne: 33 Prozent. Das nächste Politbarometer sendet das ZDF am Freitag, 21. Juni 2019.
Weitere Informationen zur Methodik der Umfrage und zu den genauen Frageformulierungen finden Sie auch auf www.forschungsgruppe.de.
Bericht: ZDF / Forschungsgruppe Wahlen