Erster Weidener Medizintechnik-Doktor legt Dissertation vor
WEIDEN. Praxis oder Theorie – was zählt mehr? In der akademischen Welt galt lange Zeit der Grundsatz, dass letztlich die Theorie der Praxis vorzuziehen sei. Die einst klare Trennung zwischen Grundlagenforschung an den Universitäten und anwendungsorientierter Forschung und Transfer an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften gibt es nicht mehr. Mittlerweile betonen Universitäten ihren Bezug zur Wirtschaft und Hochschulen fördern das wissenschaftliche Arbeiten. Im Zusammenwirken ist es seit einiger Zeit auch FachhochschülerInnen möglich, den Doktorgrad zu erwerben.
Manuel Stich ist der erste Medizintechnikstudent (Bachelor- und Master) der OTH Amberg-Weiden, der eine Dissertation vorgelegt hat. Betreut haben die Doktorarbeit Prof. Dr. Herbert Köstler von der Universität Würzburg und Prof. Dr. Ralf Ringler von der OTH Amberg-Weiden. Der Titel des Werks: „Kompatibilität in der medizinischen Bildgebung: Beeinflussung von Gradientenfeldern durch das Magnetsystem und Beeinflussung elektronischer Bauteile durch ionisierende Strahlung“. Alles klar, oder?
Bildgebende Verfahren spielen in der Medizin eine wichtige Rolle. Knapp gesagt: Ärztinnen und Ärzte können dank Magnetresonanztomographie (MRT) und Co. in Patienten hineinsehen, ohne sie aufschneiden zu müssen. So lassen sich Krankheiten frühzeitig erkennen und Therapien oder Operationen planen. Doch wie immer hat die Technik ihre Tücken. Beim Kernspin wird mit dauerhaften und veränderlichen Magnetfeldern gearbeitet – und diese Magnetfelder beeinträchtigen die Messungen. Auf den MRT-Bildern kommt es dann zu Fehlern, die eine Auswertung erschweren können. Im schlimmsten Fall wirkt sich das negativ auf eine Diagnose aus. Das betrifft vor allem innovative Verfahren, die wesentlich schnellere Aufnahmezeiten ermöglichen und damit den Komfort für die Patienten verbessern.
Natürlich gibt es auch Verfahren, die diesen Fehlern entgegenwirken bzw. aus den gewonnenen Daten herausrechnen. Doch nur wenn man weiß, was geschieht und welche Beeinträchtigungen entstehen, kann man die Effekte ausgleichen. Genau hier setzt die Doktorarbeit von Manuel Stich an. Er experimentierte mit verschiedenen Kameras und Techniken, um herauszufinden, wann welche Probleme auftreten, und wie man sie beheben kann. Als Ergebnis präsentiert der junge Forscher eine sogenannte „Gradientenvorverstärkungstechnik“, die dafür sorgt, dass keine Nachbearbeitung mehr anfällt. „Ein ganz wichtiger Baustein, den man aber als Patient kaum wahrnimmt“, wie der Weidener Professor Ralf Ringler sagt.
Die zweite Fragestellung, mit der sich Stich befasste, sei, so Ringler, leichter nachzuvollziehen: „Es geht darum, wie sich Implantate verhalten, wenn sie modernen bildgebenden Verfahren ausgesetzt sind.“ Die große Bedeutung dieser Forschung liege auf der Hand: Einerseits werden die Verfahren immer häufiger angewendet, andererseits tragen immer mehr Menschen Implantate in sich. Geräte, wie Herzschrittmacher, die in den Magnet- oder Strahlungsfeldern, denen die Patienten bei den Untersuchungen ausgesetzt werden, beeinträchtigt werden können. „Ein enormes Sicherheitsrisiko“, so Ringler. Manuel Stich war schon als wissenschaftlicher Mitarbeiter Ringlers am Medizintechnikcampus der OTH Amberg-Weiden mit solchen Fragen befasst.
In der vorliegenden Dissertation liefert er nun Antworten. „Dabei besteht die Schwierigkeit erst einmal darin, die Situation lebensecht nachzubilden“, erklärt Stich. Von der Strahlendosis bis hin zur Platzierung eines Implantats im Körper muss einiges beachtet werden. Der Wissenschaftler untersuchte im Speziellen einzelne Bauteile, die in vielen aktiven medizinischen Implantaten verwendet werden. Das Ergebnis: Ionisierende Strahlung, wie sie u.a. bei Krebsbehandlungen und –untersuchungen eingesetzt wird, beeinflusst die Komponenten teilweise recht stark.
Für Manuel Stich ergibt sich daraus die Notwendigkeit weiterer Forschung und Entwicklung: „Batterien von Herzschrittmachern entladen sich offenbar schneller, wenn sie Strahlung ausgesetzt sind. Hier besteht potentiell Gefahr.“ Speichermodule wiesen insgesamt zwar nur wenige Fehler auf, aber Stich sieht durchaus die Problematik, dass schon kleine Fehler dafür sorgen könnten, dass beispielsweise ein Gerät zu wenig oder zu stark stimuliert oder dass die Schockenergie bei Defibrillatoren falsch berechnet wird.
Vielleicht wird er selbst nun komplexere Baugruppen untersuchen, um mögliche Funktionsprobleme der Implantate in der klinischen Routine bei Bestrahlung weiter zu analysieren. Wohin ihn seine wissenschaftliche Karriere noch treibt, weiß Stich noch nicht. Vielleicht sogar zurück nach Weiden, denn mittlerweile hat der Forscher auch Spaß an der Lehre gefunden. Auf jeden Fall hat er die Ausbildung in Weiden sehr schätzen gelernt: „Mit dem Medizintechnik-Studium in Weiden braucht man sich absolut nicht zu verstecken.“ In den nächsten Jahren wird Stich in der Industrie daran arbeiten, seine Erkenntnisse in praktische Anwendungen umzusetzen.
Bachelor, Master, Doktor – alles aus Weiden
Medizintechnik-Studium bietet beste Chancen
„Eigentlich wollte ich ja immer Physik studieren“, lacht Manuel Stich. In der Hand hält er die Promotionsurkunde, die seinen Doktor-Grad ausweist. „Mit dem Fachgebiet Medizinphysik bin ich ja recht nah dran.“ Stich ist der erste Medizintechnikstudent (Bachelor- und Master) der OTH Amberg-Weiden, der eine Dissertation vorgelegt hat. Jetzt entwickelt Stich MRT-Applikationen für Siemens Healthcare und doziert nebenbei an „seiner“ Hochschule Data Sciences, Machine Learning und Scientific Computing.
Der Studiengang Medizintechnik bietet seiner Meinung nach alle Chancen, für sich das interessanteste Fachgebiet zu finden: „Er ist im Bachelor-Studiengang relativ breit angelegt, weshalb man viele Facetten kennenlernt. Was man besonders mag, kann man im Master-Studiengang dann vertiefen und sich spezialisieren.“
Im Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine (oder auch Technik) böten sich enorme Möglichkeiten. Wie viele Aspekte in Weiden abgedeckt werden, wurde Stich selbst erst als Entwickler in der Industrie klar. „So Sachen wie Qualitätsmanagement, Zulassungsverfahren oder auch Projektmanagement, betreffen mich tagtäglich in der Arbeit. Die im Studiengang vermittelten Kenntnisse in diesen Bereichen erleichtern mir den Job ungemein“, sagt Stich.
Nach seinem Bachelorabschluss konnte er als Laboringenieur bei Prof. Dr. Ralf Ringler anfangen und den Master drauflegen. „Da lernte ich dann, wie man Konferenzbeiträge schreibt und wie man wissenschaftlich arbeitet“, so Stich. „Ich durfte viele Tagungen und Kongresse besuchen, wurde wirklich gefördert.“
Auf die Ausbildung an der OTH Amberg-Weiden lässt der frischgebackene Doktor nichts kommen. Gegenüber den Kolleginnen und Kollegen im Graduiertenkolleg an der Uni Würzburg, die alle an den typischen Universitäten in Deutschland und den USA studiert hatten, so Stich, „muss man sich mit einem Abschluss aus Weiden nicht verstecken“.
Bericht: OTH Amberg-Weiden