Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat heute den Verfassungsschutzbericht 2018 vorgestellt. „Der Islamistische Terrorismus ist weiterhin die größte Bedrohung für die Innere Sicherheit“, warnte der Minister. Aktuell liegen laut Herrmann zwar keine konkreten Erkenntnisse über einen bevorstehenden Anschlag in Deutschland oder Bayern vor, es bestehe aber nach wie vor eine anhaltend große Anschlagsgefahr. Alle europäischen Staaten stünden vor der Frage, wie mit Rückkehrern aus den Kampfgebieten umzugehen ist. „In Bayern leben 22 dieser Personen“, sagte der Minister. „Die bayerischen Sicherheitsbehörden haben auf sie selbstverständlich ein besonderes Auge.“ Im Rechtsextremismus geht der Trend weg von den klassischen rechtsextremistischen Parteien hin zu neuen, internetaffinen Gruppierungen. „Der Anstieg des rechtsextremistischen Personenpotenzials von 2.320 im Jahr 2017 auf 2.360 in 2018 ist hauptsächlich der Verlagerung in das Internet geschuldet“, sagte der Minister. „Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten liegt wie in den Vorjahren bei rund 1.000 Personen.“
Laut Herrmann versuchen verschiedene rechtsextremistische Gruppierungen wie die ‚Wodans Erben Germanien Division Bayern‘ und die ‚Vikings Security Germania Division Bayern‘ mit so genannten Streifengängen oder Patrouille-Aktionen die Bevölkerung zu verunsichern. Die Agitation richtet sich gegen Flüchtlinge als angeblich generelle Bedrohung der Inneren Sicherheit und gegen einen angeblich handlungsunfähigen Staat, der die Innere Sicherheit nicht mehr gewährleisten könne. Weitere Aktionen, insbesondere gegen Flüchtlinge und Muslime, wurden durch die rechtsextremistische ‚Identitäre Bewegung‘ gestartet. In puncto Waffen betonte Herrmann klar: „Die bayerischen Behörden gehen auf allen Ebenen seit jeher konsequent gegen den Waffenbesitz von Extremisten vor. So hat das Verwaltungsgericht Ansbach vor vier Wochen den Entzug der Waffenerlaubnis bei einem Vorsitzenden der ‚Identitären Bewegung‘ in erster Instanz bestätigt.“
Nach dem territorialen Niedergang des Kalifats in seinem syrisch-irakischen Kerngebiet ist damit zu rechnen, dass der IS seinen Kampf im Untergrund fortsetzen wird. „Es gibt daher keinen Anlass zur Entwarnung“, betonte Herrmann. Der IS verbreitet weiterhin seine Propaganda über eine Reihe von Online-Plattformen und ruft seine Anhänger dazu auf, Anschläge im Westen zu begehen. “Deshalb müssen wir hier weiter wachsam sein, Prävention und Repression gehen dabei Hand in Hand“, so Herrmann weiter.
Das Personenpotenzial der linksextremistischen Szene ist in 2018 von 3.470 auf 3.500 Personen leicht gestiegen. Davon gelten 730 Personen als gewaltbereit. „Entgegen dem Bundestrend ist dabei die Zahl der Autonomen – nach einem Anstieg in 2017 – wieder auf 675 Personen leicht gesunken, liegt aber immer noch über dem Niveau der Jahre 2013 bis 2016″, erklärte Herrmann. Zur Verbreitung ihrer Ideologie beteiligt sich die linksextremistische Szene auch an Veranstaltungen nicht-extremistischer Initiativen zu gesellschaftlich relevanten Themen, wie Umwelt- und Klimaschutz oder Mietpreise. „Die Szene hat deren hohes Mobilisierungspotenzial erkannt und nutzt diese Themen als Türöffner, um mehr Akzeptanz für ihre gegen den Staat und unsere Demokratie gerichtete Hetze zu erreichen“, mahnte Herrmann. Linksextremistische Straftaten haben mit 752 einen neuen Höchststand erreicht. Der Anstieg ist vor allem auf eine deutliche Zunahme der Sachbeschädigungsdelikte in Zusammenhang mit der Landtagswahl 2018 zurückzuführen. Nahezu eine Verdopplung gab es bei den besonders gefährlichen Brand- und Sprengstoffdelikten, überwiegend im Großraum München. Opfer waren oftmals Unternehmen der Bau- und Immobilienbranche, die in der Szene als ‚Profiteure‘ der Mietpreisentwicklung gebrandmarkt werden.
Die militärische Offensive der türkischen Armee und die Einnahme der kurdisch dominierten Region Afrin in Nordsyrien führten in ganz Deutschland zu zahlreichen Protestaktionen von PKK-Anhängern – unter anderem in Köln, München, Nürnberg und Augsburg. „Das ganze Jahr über kam es bundesweit zu einer Vielzahl von Übergriffen auf türkische Vereine und Einrichtungen. Insbesondere bei jüngeren Mitgliedern der PKK steigt zunehmend die Gewaltbereitschaft“, so Herrmann.
Die Zahl der Anhänger der ‚Reichsbürger‘ stagniert seit Mitte letzten Jahres bei rund 4.200 Personen. Der Anteil der Personen, die sowohl Rechtsextremisten als auch ‚Reichsbürger‘ sind, liegt nach wie vor bei rund 60 Personen. Auch hinsichtlich des ‚harten Kerns‘ mit rund 400 Anhängern haben sich laut Herrmann keine wesentlichen Veränderungen ergeben. „Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass die Gefahr damit gebannt ist. Aber wir haben die Stagnation bei den ‚Reichsbürgern‘ nicht zuletzt der hervorragenden Arbeit unserer Sicherheitsbehörden zu verdanken“, betonte der Minister. Dazu gehören Durchsuchungen, der Entzug von Waffenerlaubnissen und die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. „Wir erwarten tendenziell eine rückläufige Entwicklung bei der Gesamtzahl der Anhänger“, sagte Herrmann. Bei ‚Reichsbürgern‘ mit Waffenbesitz wurden Widerrufsverfahren durch die Waffenbehörden eingeleitet. Zum Stand 31.03.2019 wurden im Rahmen dieser Widerrufsverfahren oder freiwillig bereits 407 waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen beziehungsweise zurückgegeben und 778 Waffen abgegeben. „Das ist eine positive Entwicklung“, so Herrmann. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 325 Straftaten von ‚Reichsbürgern‘ gezählt, darunter 89 Gewaltdelikte.
Für alle extremistischen Phänomenbereiche und die Rekrutierung von Anhängern gewinnt laut Herrmann das Internet immer mehr an Bedeutung. So bilden sich insbesondere in den Sozialen Medien zunehmend sogenannte ‚Echokammern‘, in denen sich die Teilnehmer in ihren Auffassungen gegenseitig bestärken und für andere Argumente unzugänglich werden. „Extremisten jeder Ausrichtung versuchen das Internet für sich zu nutzen. Neben der mehr oder minder geschickten Platzierung der eigenen Ideologie legen sie es darauf an, systematisch die Grenzen des Sag- und Denkbaren zu verschieben, um den Boden für entsprechende Handlungen zu bereiten“, erklärte der Minister. „Besonders Kinder und Jugendliche müssen im Internet vor solchen Bereichen geschützt werden, um nicht in die Hände von Extremisten jeglicher Couleur zu geraten.“
Gefahren bezüglich Cybersicherheit und Spionageabwehr lauern laut Herrmann bei so genannten APT-Angriffen (Advanced Persistent Threat, ‚herausgehobene andauernde Bedrohung‘). Hier sind in der Regel professionelle Gruppen am Werk, die oft im Auftrag oder mit Unterstützung ausländischer Staaten oder Nachrichtendienste Daten stehlen, Abläufe sabotieren oder Infrastrukturen angreifen und zerstören. Ziel ist es, sich möglichst lange, manchmal über Jahre hinweg, unentdeckt im Opfersystem zu bewegen, um über den gesamten Zeitraum sensible Informationen auszuspähen, Schaden anzurichten oder Inhalte zu manipulieren. „Das Cyber-Allianz-Zentrum Bayern (CAZ) verzeichnete in 2018 eine Zunahme derartiger APT-Angriffe. Als Hauptakteure werden nach wie vor Russland, China und der Iran identifiziert“, sagte Herrmann. Das CAZ stellte zudem fest, dass bei den Angriffen unter anderem gezielt der Energiesektor sowie der Wissenschafts- und Forschungsbereich im Fokus standen. Auch die Qualität der Angriffe hat deutlich zugenommen. So werden häufig nicht mehr einzelne Opfer direkt angegriffen, sondern deren Router-Infrastruktur oder Service-Provider. Diese Attacken sind für die eigentlichen Opfer kaum wahrzunehmen, da der Datenverkehr weiterhin problemlos und unauffällig funktioniert.
„Grundsätzlich gilt es, unsere Demokratie mit aller Kraft zu verteidigen“, sagte Herrmann abschließend. „Gefahren lauern überall. Wir dürfen jeglichen Extremisten, egal mit welchem Deckmantel sie sich tarnen, keine Chance lassen, die Demokratie zu zerstören.“
Bericht: Bayerisches Innenministerium