BAMBERG / MÜNCHEN. Nach mehrjährigen und intensiven Ermittlungen des Dezernates Cybercrime beim Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) und des Zentrums zur Bekämpfung von Kinderpornographie und sexuellen Missbrauch im Internet gelang es, drei Darknet-Plattformen stillzulegen.
Im November 2019 wurde das BLKA aufgrund polizeilicher Ermittlungen auf drei kinderpornographische Plattformen im Darknet aufmerksam. Bei den Darknet-Plattformen handelte es sich zum einen um zwei Chatseiten, auf die sehr unkompliziert und ohne Anmeldung oder Registrierung zugegriffen werden konnte. Auf der Seite „TorPedoChat“ wurde in englischer Sprache kommuniziert. Der „TorpedoChatDE“ richtete sich speziell an deutschsprachige User. In den Chats teilten die User kinderpornographische Inhalte und unterhielten sich über ihre Neigungen. Weiterhin fanden dort auch Rollenspiele bis hin zu Verabredungen zum sexuellen Missbrauch von Kindern statt.
Zum anderen wurde durch die internationale Tätergruppierung die sehr konspirativ geführte Darknet-Plattform „TheAnnex“ betrieben. In diesem Forum waren mehrere Chaträume für verschiedene Vorlieben eingerichtet. Beispielsweise gab es einen speziellen Bereich für Bilder und Videos von Kleinkindern unter fünf Jahren oder ein „No Limits“ genannter Chat, in welchen z.B. Videos von getöteten und anschließend missbrauchten Kindern geteilt wurden. Eine Aufnahme in den inneren Kreis der Plattform erfolgte nur nach Bereitstellen großer Mengen an kinderpornographischen Fotos und Videos sowie anschließender Einladung durch die Administratoren.
Auf diese Weise wurden u.a. die aktivsten Nutzer der frei erreichbaren Chatseiten „TorpedoChat“ und „TorpedoChatDE“ rekrutiert, um Teil von „TheAnnex“ zu werden. Auf den Plattformen waren mehrere Tausend User aus dem In- und Ausland aktiv. Diese schrieben monatlich etwa 120.000 Postings und verbreiteten dabei im gleichen Zeitraum mehr als 20.000 kinderpornographische Bilder und Videos. Im Rahmen der Auswertung von sichergestellten Beweismitteln durch das BLKA konnten Bezüge insbesondere in die USA, nach Großbritannien sowie nach Australien festgestellt werden, weshalb die jeweiligen Behörden in die Ermittlungen gegen die Darknet-Plattformen mit eingebunden wurden. Hierzu fand auch ein persönliches Treffen der Ermittler in München statt.
Aufgrund der Erkenntnisse aus den bayerischen Ermittlungen gelang in der ersten Jahreshälfte 2022 dem FBI in den USA die Festnahme eines Administrators sowie eines Programmierers. Im weiteren Verlauf konnten im November 2022 der Haupt-Administrator der Darknet-Seite in den USA sowie zwei Moderatoren in Großbritannien durch die dortigen Behörden verhaftet werden.
In Deutschland konnte am 03.11.2022 ein weiterer Moderator in Bonn festgenommen werden. Dem 22-Jährigen, der sich weiterhin in Untersuchungshaft befindet, wird unter anderem die bandenmäßige Zugänglichmachung kinderpornographischer Inhalte in einer Vielzahl von Fällen vorgeworfen. Dieses Verfahren wird von der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime in Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) geführt.
Alle drei gegenständlichen Darknet-Plattformen waren kurz nach den erfolgten Festnahmen der verbliebenen Führungsstruktur nicht mehr erreichbar. Auch nach Abschluss der internationalen, konzertierten Aktion gelang es bisher keinem Mitglied der Plattform, diese Seiten wieder in Betrieb zu nehmen. Neben den festgenommenen Betreibern konnten aufgrund der erfolgreichen Ermittlungen bislang mehr als 30 Nutzer der Plattformen und Konsumenten von einschlägigen Medieninhalten im In- und Ausland identifiziert werden. Hierzu wurden unter anderem mehrere verdeckte Ermittler des BLKA eingesetzt.
Ein 62-jähriger Tierarzt aus Schwaben zum Beispiel, der über mehrere Monate große Mengen kinderpornografischer Inhalte verbreitet hatte, konnte bereits im Mai 2021 während eines Aufenthalts in einer Reha-Klinik in Bayern festgenommen werden. Bei diesem wurden über 800.000 kinderpornographische Bilder und Videos sowie ein kinderpornographisches Hörspiel und Missbrauchsanleitungen aufgefunden. Er war zuvor bereits einschlägig wegen gleichartiger Delikte verurteilt worden. Dieses Strafverfahren ist noch nicht
abgeschlossen.
Harald Pickert, Präsident des Bayerischen Landeskriminalamts: „Mit den Festnahmen ist der ZCB und dem BLKA ein wichtiger Schlag gegen die Verbreitung kinderpornographischer Inhalte im Darknet gelungen. Die Täter müssen auch in diesem Bereich damit rechnen überführt und zur Verantwortung gezogen zu werden. Auch das Darknet ist kein rechtsfreier Raum.“
Oberstaatsanwalt Thomas Goger, Leiter des Zentrums zur Bekämpfung von Kinderpornographie und sexuellem Missbrauch im Internet (ZKI): „Durch die akribischen Ermittlungen und den langen Atem des Bayerischen Landeskriminalamts und des ZKI ist es nicht nur gelungen, die Hintermänner hinter ‚TheAnnex‘ zu identifizieren und in ihren jeweiligen Ländern festnehmen zu lassen. Es wurden zudem zahlreiche Nutzer der Plattform ermittelt. Dieser Ermittlungskomplex beweist, welche Kompetenzen in Bayern beim Kampf gegen Darknet-Kriminalität bestehen.“
Seit dem 1. Januar 2015 besteht bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg die Zentralstelle Cybercrime Bayern. Diese Zentralstelle ist bayernweit zuständig für die Bearbeitung herausgehobener Ermittlungsverfahren im Bereich der Cyberkriminalität. Sie ermittelt in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Spezialisten der Landes- und Bundespolizei, des Bundeskriminalamts, des Zollfahndungsdienstes und mit internationalen Partnern, z.B. bei Angriffen auf bedeutende Wirtschaftszweige oder bei Verfahren aus dem Bereich der organisierten Cyberkriminalität. Auch dann, wenn bei Verfahren der Allgemeinkriminalität ein hoher Ermittlungsaufwand im Bereich der Computer- und Informationstechnik abzuarbeiten ist, werden die Staatsanwälte der Zentralstelle tätig. Die bearbeiteten Fälle sind vielfältig. Sie reichen von Hackerangriffen über Fälle des Vorkasse-Betrugs im Internet, z. B. durch professionelle sog. Fake-Shops, und Fälle von Ransomware bis hin zum Handel mit Waffen, Drogen und Falschgeld im Darknet. Zudem ist die Zentralstelle Cybercrime Bayern für herausgehobene Fälle der Wirtschaftscyberkriminalität zuständig.
Seit dem 1. Oktober 2020 besteht bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern zudem das Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet. Diese Spezialeinheit konzentriert sich insbesondere auf Betreiber und Nutzer von Darknet-Foren, die kinderpornografisches Material herstellen, posten oder damit handeln. Derzeit sind 22 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und vier IT- Forensikerinnen und IT-Forensiker bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern tätig.
Bericht: Zentralstelle Cybercrime Bayern / Bayerisches Landeskriminalamt