Nachbereitung der Entweichung eines Strafgefangenen

Symbolbild Amtsgericht
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REGENSBURG. Anfang Januar war der Angeklagte Rachid C. im Zuge einer Vorführung aus einem Anwaltszimmer im Gerichtsgebäude des Amtsgerichts Regensburg geflohen. Nach sofort eingeleiteten umfangreichen polizeilichen Fahndungsmaßnahmen und intensiven Ermittlungen war der Mann vier Tage später in Frankreich festgenommen worden. Seitdem befindet sich der Angeklagte in einer französischen Haftanstalt. Das Geschehen im Zusammenhang mit der Entweichung ist seither Anlass für eine intensive Prüfung und Nachbereitung durch Polizei und Justiz.

Am 18.01.2023 fand eine gemeinsame Besprechung von Vertretern der Polizeipräsidien Unterfranken und Oberpfalz, des Land- und Amtsgerichts Regensburg sowie der Staatsanwaltschaften Regensburg und Nürnberg/Fürth statt. Dabei wurden vorbehaltlich einer abschließenden Bewertung des Gesamtgeschehens und einer dienstrechtlichen Würdigung, Feststellungen zum konkreten Ablauf getroffen und sich daraus ergebende Aspekte festgelegt:

  • Die Regelungen zum Transport von Gefangenen, die polizeilichen Bewertungen für die Durchführung eines Transports und die Sicherungsmaßnahmen in Gerichtsgebäuden werden von der Polizei in enger Abstimmung mit der Justiz überprüft.
  • Die Vorführung des Angeklagten Rachid C. wurde am 05.01.2023 von Polizeibeamten des Polizeipräsidiums Unterfranken durchgeführt. Das Vorführersuchen des AG Regensburg wurde der beauftragten Dienststelle mit zeitlichem Vorlauf übermittelt. In diesem Zusammenhang wurden von der Justizvollzugsanstalt Würzburg ergänzende Personenerkenntnisse mitgeteilt. Des Weiteren erfolgte eine zusätzliche personenbezogene Informationserhebung durch die beteiligten Polizeidienststellen in Unterfranken.
  • Insbesondere die polizeilichen Abläufe zur Einstufung der Gefährlichkeit des Gefangenen und der damit korrespondierenden Kräfteeinteilung, der Übernahme des Angeklagten und der Durchführung der Bewachung im Gebäude des AG Regensburg mit den dort bestehenden Regelungen stehen nunmehr im Mittelpunkt der Analyse und werden von der unterfränkischen Polizei in enger Abstimmung mit den Kontaktstellen der Justiz hinsichtlich erforderlicher Änderungen weiterhin intensiv geprüft.
  • Es wurde gerichtlich angeordnet, im Sitzungssaal die Handfesseln abzunehmen, um dem Angeklagten ein Mitschreiben zu ermöglichen.
  • Einigkeit besteht in der Feststellung, dass eine der Polizei obliegende Fesselung des Angeklagten nach Verlassen des Sitzungssaals und eine lückenlose Überwachung des zu öffnenden Fensters in dem zur Flucht genutzten Anwaltszimmer, die Flucht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte.
  • Das betreffende Anwaltszimmer ist nicht gesichert. Es dient den Rechtsanwälten – insbesondere auswärtigen Rechtsanwälten – als Aufenthaltsort für Sitzungspausen. Für Besprechungen mit inhaftierten Angeklagten ist der nicht überwachte Raum nicht konzipiert. Hierauf wurde durch Anordnung der Präsidentin des Landgerichts vom 09.01.2023 nochmals gerichtsintern hingewiesen. Nach eingehender Prüfung sind derzeit bauliche Maßnahmen am Amtsgericht Regensburg nicht vorgesehen.
  • Auch wurde das Entweichen durch die mangelnden Kenntnisse der Vorführbeamten zu baulichen und sicherheitstechnischen Gegebenheiten begünstigt, was Intensivierungen bei der Zusammenarbeit zwischen ortsfremden Polizeikräften und örtlichem Sicherheitspersonal zur Folge haben wird.
  • Die strafrechtlichen Ermittlungen, insbesondere hinsichtlich der Vorbereitungshandlungen des Strafgefangenen sowie möglicher Fluchthelfer werden parallel intensiv fortgeführt.
  • Der zugrunde liegende Vorfall gibt Anlass, die bislang standardisierten Ablaufprozesse einer intensiven Überprüfung zu unterziehen. Hierbei ist immer auf den Einzelfall abzuzielen und angelehnt an die jeweilige Gefährdungsprognose eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Eine fortlaufende Sensibilisierung der Einsatzkräfte, die in diesem Aufgabenfeld tätig sind, ist unabhängig des Ergebnisses der Analyse bereits umgesetzt worden. Besondere Aufmerksamkeit wird hierbei auf die noch konsequentere und stringentere Umsetzung der Vorgaben zur Fesselung gelegt.
  • Das gemeinsame Aufarbeiten von Polizei und Justiz hinsichtlich des Entweichens am AG Regensburg hat zum Ziel, potentielle Schwachstellen bisheriger Abläufe zu erkennen und ein derartiges Fluchtgeschehen in Zukunft zu verhindern.


Bericht: Polizeipräsidium Unterfranken / Polizeipräsidium Oberpfalz / Amtsgericht Regensburg