AMBERG. Das Goldene Buch der Stadt Amberg wird 100 Jahre alt. Der Leiter des Stadtarchivs, Dr. Andreas Erb, blickt aus diesem Anlass auf die spannende Geschichte des Buches zurück.
Es waren wahrlich keine goldenen Zeiten, in denen sich die Stadt Amberg entschloss, ein Buch anzulegen, in dem sich ihre Ehrengäste verewigen konnten. Die Misstöne der Hochinflation klangen selbst im Vorwort des Stadtarchivars Josef Demel an, als wolle man dem schwindenden Geldwert wenigsten immaterielle Werte entgegensetzen:
Schwere Zeiten, reich an Not und arm an Gold,
Schufen mich, als „Goldenes Buch“ der Stadt
Aufzunehmen hoher Gäste goldenes Wort,
Allzeit treu zu wahren diesen Schatz.
Nicht nur diese einleitenden Worte machten den Band zu einem Spiegel der Zeiten. Als Goldene Bücher wurden im Mittelalter die Verzeichnisse des Adels in den italienischen Städten bezeichnet. Diesen Namen griffen die deutschen Städte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf, um den Besuch hochstehender Persönlichkeiten in einem prachtvoll, häufig mit Goldschnitt gestalteten Buch zu dokumentieren. Die Einträge waren und sind als Akte des Gebens und Nehmens von Anerkennung gedacht; während der schreibende Gast sich als besonderer Gast gewürdigt fühlen kann, adelt er mit seinen „goldenen“ Worten die Stadt und ihre Bürger.
Das Goldene Buch kann so auf zweierlei Arten gelesen werden. Zum einen sind es die Widmungen selbst, häufig floskelhaft, einige aber Jahrzehnte später noch bewegend, manchmal auch erschreckend. „Amberg, meine Wahlheimat, die Heimatstadt meiner beiden Kinder, ich grüße Dich! Ich weiß mich mit Dir eins im fanatischen Willen und im unbeirrbaren Glauben an den deutschen Sieg.“, trägt ein Ritterkreuzträger im Mai 1944 ein. Fast genau ein Jahr und nur wenige Seiten später zieht Bürgermeister Christian Endemann einen Strich durch das Goldene Buch – gedacht als Schlussstrich unter „den Abschnitt einer Zeit des Terrors und des Hasses: Die Naziverbrecher sind geflohen oder tot, die Stadt und das Volk in Elend und Not.“ Seinen Worten folgen die Eintragungen amerikanischer Offiziere; ein Major notiert: „Das mehr als 900-jährige Amberg wird noch lange weiterleben, wenn Mattox, der 31-jährige Militärgouverneur, nicht mehr sein wird.“
Selbst die stark formelhaften Einträge erinnern an zahlreiche Meilensteine Amberger Zeitgeschichte, wie die Eröffnung der Landesgartenschau, die Begründung von Städtepartnerschaften oder die Verabschiedung der Panzerbrigade 12 aus dem Standort Amberg. Zum anderen liest sich das Goldene Buch wie ein Who´s Who der berühmten Besucher Ambergs. Wer eines Eintrags wert ist und sich als Ehrengast sich in dieses Buch einschreiben darf, kann nicht nach objektiven Kriterien beurteilt werden. Entsprechend spiegeln die Entscheidungen der Oberbürgermeister nicht nur die Änderungen an der Stadtspitze wie auch Wandlungen des politischen Systems, sondern auch der städtischen Gesellschaft.
Erster Einträger ist ein Wittelsbacher, Prinz Alfons von Bayern, Neffe des Prinzregenten Luitpold. Mit ihm ragt noch ein Stück der gerade zu Ende gegangenen Monarchie in die Nachkriegsära hinein. Bis zum Ende der Weimarer Republik sind es vor allem die höheren Ränge von Militär, Kirche und Verwaltung, die Aufnahme in das Buch finden. Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung tragen sich häufiger Funktionäre der NSDAP ein, wie 1934 Hans Frank, zu dieser Zeit Reichskommissar für die Gleichschaltung der Justiz, und der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler. Sie stehen dort neben einer Besucherdelegation aus Bad Bergzabern, die sich unter dem Motto „Die Weinpfalz besucht die Steinpfalz“ verewigen, und der Mannschaft des FC Nürnberg. Der Kreis derjenigen, die sich eintragen dürfen, hat sich über die alten Eliten hinaus also spürbar vergrößert.
In der Bundesrepublik erweitert sich dieser Kreis stetig. Zum einen wird das Goldene Buch internationaler; zahlreiche Botschafter aus aller Herren Länder und Vertreter der neuen Partnerstädte finden sich dort, selbst Rufino Jiao Santos, Erzbischof von Manila, besucht das Bergfest und trägt sich ein. Otto von Habsburg kommt 1994 zum Tag der Heimat. Sportler wie der Amberger Tennisclub, aber auch der FC Bayern München werden im Rathaus empfangen und schreiben sich ein. Natürlich aber sind weiterhin prominente Politiker, wie Franz Josef Strauss, Edmund Stoiber und Markus Söder vertreten, ebenso wie hochrangige Militärs der Amberger Garnison und Verwaltungsbeamte. Wie wichtig Medien und Stars heute geworden sind, zeigt sich daran, dass sich 2007 die Gewinnerin von Germany’s Next Topmodel, Barbara Meier, in das Goldene Buch einschreibt. Noch sind Seiten frei im Goldenen Buch, und regelmäßig kommen prominente Gäste hinzu.
„Allzeit treu zu wahren diesen Schatz“, ist heute Aufgabe der Zentralregistratur und wird mit dem Eintrag auf der letzten Seite diejenige des Stadtarchivs werden. Auch im digitalen Zeitalter also soll diese Tradition fortgeführt werden.
Bericht: Stadt Amberg