Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Georg Eisenreich zum Ermittlungserfolg von Staatsanwaltschaft und Polizei
BAYERN. In einer groß angelegten Festnahme- und Durchsuchungsaktion der Staatsanwaltschaft Bamberg, des Bayerischen Landeskriminalamts und des Landeskriminalamts Baden-Württemberg konnte am 30. Januar 2023 in den Niederlanden und in Belgien eine Geldautomatensprenger-Bande ausgehoben werden, der mehr als 50 Straftaten in Deutschland mit einem Gesamtschaden von mehr als zehn Millionen Euro zugerechnet werden. Darüber haben gestern Ermittler von Staatsanwaltschaft und Polizei im Bayerischen Landeskriminalamt informiert. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Georg Eisenreich sprachen von einem „großen Ermittlungserfolg“ und einer „hervorragenden internationalen Zusammenarbeit“. Herrmann: „Wir müssen solche skrupellosen Verbrecherbanden und deren Hintermänner konsequent hinter Gitter bringen.“ Eisenreich: „Bayern ist gut aufgestellt. Die Justiz arbeitet hervorragend mit der Polizei – auch über die Ländergrenzen hinweg – zusammen.“
Nach Herrmanns Worten hat sich die Problematik mit gesprengten Geldautomaten im vergangenen Jahr deutlich verschärft. Mit 37 Geldautomatensprengungen musste 2022 in Bayern ein Rekordwert verzeichnet werden (2020: 24 Sprengungen, 2021: 17 Sprengungen). Auch bundesweit gab es vergangenes Jahr einen Rekordstand (493). „Das müssen wir sehr ernst nehmen“, erklärte der Innenminister.
Justizminister Eisenreich: „Geldautomatensprengungen sind die Banküberfälle der Moderne. Während die Zahl der traditionellen Banküberfälle deutschlandweit laut BKA von mehr als 1.600 im Jahr 1993 auf 28 im Jahr 2021 stark gesunken ist, nimmt das Sprengen von Geldautomaten erheblich zu. Zwischen 2006 und 2021 hat sich die Zahl von 30 auf knapp 400 mehr als verzehnfacht.“ Grund hierfür ist auch die Veränderung des Bankensektors: Seit 1995 gibt es laut Bundesbank etwa 70 Prozent weniger Bankniederlassungen, bedingt durch die fortschreitende Digitalisierung. Die Zahl der Geldautomaten hat laut Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken seit 1995 um mehr als 50 Prozent zugenommen (1995: 35.700; 2021: 56.097).
Die hochprofessionellen Täterbanden würden laut Herrmann nicht nur hohe wirtschaftliche Schäden verursachen. Besonders problematisch sei auch, dass mit den Sprengungen eine rücksichtslose Gefährdung von unbeteiligten Dritten, Anwohnern und Einsatzkräften einhergehe. Eisenreich: „Die bayerische Justiz verfolgt Geldautomatensprenger konsequent. Das Strafgesetzbuch sieht für Fälle der Geldautomatensprengung regelmäßig eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren vor.“ Der Justizminister weiter: „Organisierte Kriminalität steckt hinter unterschiedlichen Kriminalitätsphänomenen. Das können Zwangsprostitution, Drogenhandel, Cybertrading oder Geldautomatensprengungen sein. Wir setzen deshalb auf Experten bei den bayerischen Staatsanwaltschaften. Daneben arbeiten wir im Bereich der OK – wie im aktuellen Fall – eng mit den Nachbarländern sowie Europol und Eurojust zusammen.“
Laut Herrmann sind auch die Bankenwirtschaft und die Automatenhersteller in der Verantwortung, es den Tätern so schwer wie nur möglich zu machen. Die Maßnahmen im benachbarten Ausland und der dortige Rückgang der Sprengungen zeige, wie wichtig stärkere Vorkehrungen auch in Deutschland seien. Deutlich weniger Bargeldbestand in den Automaten würde das Aufsprengen weniger lukrativ machen. „Ein großes Potential sehe ich auch beim Einsatz von speziellen Einfärbe- und Klebesystemen, die die Geldnoten unbrauchbar machen“, so Herrmann weiter. „Dadurch würde sich eine Sprengung nicht mehr lohnen.“
Bericht: Bayerisches Innenministerium
Gemeinsame Medieninformation der Staatsanwaltschaft Bamberg, des Bayerischen Landeskriminalamtes und des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg
Seit mehr als einem Jahr ermitteln die Staatsanwaltschaft Bamberg, das Bayerische Landeskriminalamt und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg gegen eine Gruppe von Geldautomatensprengern, denen mehr als 50 Straftaten zugeordnet werden.
In einer groß angelegten Festnahme- und Durchsuchungsaktion am Montag, dem 30. Januar 2023 in den Niederlanden und in Belgien gelang es, neun Haftbefehle zu vollziehen und 16 Objekte zu durchsuchen. Es handelt es sich hierbei um eine der größten Aktionen gegen Geldautomatensprenger in den Niederlanden.
Nach bisherigem Ermittlungsstand begann die Serie von Geldautomatensprengungen, die alle mit Festsprengstoff begangen wurden, am 5.November 2021. In 87751 Heimertingen (Lkr. Unterallgäu) brachen an diesem Tag kurz vor 3 Uhr morgens mehrere zunächst unbekannte Täter den Geldautomaten der Sparkasse mit Brecheisen auf und setzten Festsprengstoff ein, um den Automaten zu zerstören und an das darin befindliche Geld zu gelangen. Anschließend flüchteten die Täter mit einem dunklen Audi RS6 Avant und konnten unerkannt entkommen.
Mit dem auffallend gleichen Prozedere gab es alleine in Bayern bis heute 34 Geldautomatensprengungen, von denen 31 erfolgreich waren. Dabei verursachten die Täter einen Schaden von mehr als vier Millionen Euro und erbeuteten über 3,4 Millionen Euro. Der aktuellste Fall der Serie ereignete sich am 19. Januar 2023 in 87746 Erkheim (Lkr. Unterallgäu).
Um die Verfolgung der Täter möglichst effizient zu gestalten, führt die Staatsanwaltschaft Bamberg unabhängig von der Tatörtlichkeit zentral die Ermittlungen in all diesen Fällen. Für die polizeiliche Arbeit richtete das Bayerische Landeskriminalamt eine Ermittlungsgruppe im Bereich der Organisierten Kriminalität ein. In dieser waren an der Spitze über 15 Ermittlerinnen und Ermittler beschäftigt. In Baden-Württemberg ermittelte die Abteilung Organisierte Kriminalität und Rauschgiftkriminalität des dortigen Landeskriminalamtes gegen die Gruppierung. Dort beträgt der Sachschaden rund 2,7 Millionen Euro. Die Tatverdächtigen erbeuteten etwa 1,8 Millionen Euro. Der erste Fall der Tatserie in Baden-Württemberg ereignete sich am 10. November 2021 in 74549 Wolpertshausen (Lkr. Schwäbisch Hall).
Gegen 2:30 Uhr morgens gelangten die Kriminellen mit dem gängigen Modus Operandi an das Geld. Auch bei dieser Tat flüchteten sie mit einem dunklen und stark motorisierten Fahrzeug.
Die Ermittlungen führten zu einer Gruppierung aus der niederländischen Stadt Roermond, Provinz Limburg, und in die Provinz Utrecht. Sie sind dringend verdächtigt, 34 Geldautomaten in Bayern und 17 in Baden-Württemberg sowie einen Geldautomaten in Thüringen gesprengt zu haben. In enger Zusammenarbeit mit den niederländischen Justiz- und Polizeibehörden gelang es, mehrere Mitglieder dieser Gruppe zu identifizieren. Die Vorwürfe lauten insbesondere auf schweren Bandendiebstahl, herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Zerstörung eines Bauwerkes in mehreren Fällen. Aufgrund der Skrupellosigkeit und außerordentlichen Gefährlichkeit bei der Ausführung der einzelnen Taten ermittelt die Staatsanwaltschaft Bamberg in zehn Fällen auch wegen versuchten Tötungsdelikten. Hier handelt es sich jeweils um Fälle, bei denen Menschen in besondere Gefahr gebracht wurden.
Bei der groß angelegten Festnahme- und Durchsuchungsaktion am 30. Januar 2023 waren neben Angehörigen niederländischer und belgischer Behörden auch Ermittlerinnen und Ermittler aus Bayern und Baden-Württemberg im Einsatz. Insgesamt waren mehr als 270 Einsatzkräfte und mehrere Staatsanwälte und Richter am Aktionstag beteiligt.
Bei den neun Festgenommenen handelt es sich um Männer im Alter von 25 bis 41 Jahren mit Wohnort in den Niederlanden. Sie sind niederländische, marokkanische, afghanische, türkische und rumänische Staatsangehörige mit Aufenthalt in den Niederlanden und Belgien. Nach drei weiteren Mittätern wird aktuell noch gefahndet.
In mehreren Durchsuchungsobjekten konnten umfangreiche Tat- und Beweismittel sichergestellt werden, ebenso Gegenstände, welche zur Vermögenssicherung eingezogen werden. Es wurden u.a. mehrere zehntausend Euro Bargeld, Maskierungsgegenstände, Luxuskleidung und Luxusuhren aufgefunden. In einer Garage in Roermond konnten ein mutmaßliches Tatfahrzeug, Audi RS6, und mehrere vorgefertigte Sprengpacks sichergestellt werden. Die festgenommenen Personen werden einem Haftrichter in den Niederlanden und Belgien vorgeführt. Die Staatsanwaltschaft Bamberg hat die Auslieferung nach Deutschland beantragt.
Auch im präventiven Bereich wurden bereits Maßnahmen getroffen und Beratungen mit den Banken und Sparkassen geführt, um möglichst effektive Maßnahmen zu ergreifen, die weitere Sprengungen verhindern könnten. Dazu findet in einer Woche ein erneutes Treffen mit den Bankenverbänden im Bayerischen Landeskriminalamt statt.
Im Jahr 2022 kam es in Bayern zu 37 versuchten und vollendeten Sprengungen von Geldautomaten. Dabei entstand ein Sachschaden von über vier Millionen Euro. Die Täter erbeuteten insgesamt ca. 3,1 Millionen Euro. Im Jahr davor wurden in Bayern 17 Geldautomaten gesprengt, dabei entstand Sachschaden in Höhe von über einer Million Euro. Die Tatbeute war etwas weniger als eine Million Euro.
Im Jahr 2023 kam es bislang zu zwei Sprengungen von Geldautomaten in Bayern.
Bericht: Bayerisches Landeskriminalamt