BAYERN. Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Georg Eisenreich haben gestern in München die Entwicklung der Hasskriminalität in Bayern seit 2019 dargestellt. Das Lagebild Hasskriminalität Bayern 2022 belegt laut Herrmann ein weiterhin hohes Niveau: „Hasskriminalität hat leider weiter Konjunktur. Die Zahl der Straftaten ist in Bayern von 2019 bis 2021 um rund 20 Prozent gestiegen (2019: 1.016, 2021: 1.225). Auch wenn es 2022 einen leichten Rückgang auf 1.186 gab: Die Zahlen sind immer noch zu hoch.“ Eisenreich: „Hass und Hetze halten sich im Internet auf erschreckend hohem Niveau. Neue Entwicklungen wie beispielsweise der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und seine Folgen bieten Hass und Hetze im Netz einen zusätzlichen Nährboden.“ Beide Minister sind sich einig: „Wir führen den Kampf gegen Hasskriminalität entschlossen fort.“
„Wenn Menschen beispielsweise wegen ihrer Nationalität, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung Opfer werden, sprechen wir von Hasskriminalität, eine besonders verwerfliche Form von Straftaten“, erläuterte Innenminister Herrmann. „Volksverhetzungsdelikte dominieren hier in fast 50 Prozent aller Fälle, gefolgt von Beleidigungsdelikten“, so Herrmann.
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: „Hasskriminalität vergiftet das gesellschaftliche Klima und unterdrückt die Meinungsfreiheit anderer. Wer die Meinungsfreiheit schützen will, muss strafbaren Hass und Hetze im Internet bekämpfen. Wer rassistische, antisemitische oder volksverhetzende Inhalte verbreitet, muss in Bayern mit einer konsequenten Strafverfolgung rechnen. Selbst bei Ersttätern ist eine Freiheitsstrafe möglich. Außerdem drohen empfindliche Geldstrafen – bei Volksverhetzung beispielsweise mindestens drei Monatsgehälter plus Eintrag ins Führungszeugnis.“ Bereits im Jahr 2020 hat Minister Eisenreich Deutschlands ersten Hate-Speech-Beauftragten zentral für die bayerische Justiz bestellt und Sonderdezernate bei allen 22 Staatsanwaltschaften eingerichtet.
Wie Herrmann erläuterte, sei der starke Anstieg von Hasskriminalität gerade in den Jahren 2020 und 2021 maßgeblich auf das Protestgeschehen während der Corona-Pandemie und Solidaritätsbekundungen infolge der Zuspitzung des Israel-Palästina-Konflikts zurückzuführen: „Hier wurden verstärkt antisemitische Motive verbreitet.“ Antisemitische Straftaten haben daher mit 510 Fällen im Jahr 2021 einen neuen Höchststand erreicht (2019: 310 Fälle; 2020: 353 Fälle). Auch wenn die Zahlen 2022 wieder um etwa 30 Prozent zurückgingen (358 Fälle), gebe es laut Herrmann keinen Grund zur Entwarnung. Auch fremdenfeindliche Straftaten bewegen sich laut dem Innenminister auf einem hohen Niveau. „Nach einem deutlichen Anstieg von 988 in 2019 auf 1.288 Straftaten in 2020, konnten wir in den letzten Jahren wieder einen leichten Rückgang feststellen“.
Auffällig ist laut Herrmann auch, dass LGBTIQ*-feindliche Straftaten im Zeitraum von 2019 (29 Fälle) bis 2022 (96 Fälle) um rund 230 Prozent gestiegen sind. Ein Grund hierfür dürfte auch das geänderte Anzeigeverhalten sein: „Das Thema steht stärker im Fokus der Öffentlichkeit, weshalb sich auch mehr Geschädigte bei der Polizei melden und ihre Fälle anzeigen.“ Dass sich die Anzeigeerstattung im Fall von Hasskriminalität rentiert, zeige die hohe Aufklärungsquote in diesem Bereich. „Allein im vergangenen Jahr konnten rund zwei Drittel der angezeigten Fälle aufgeklärt werden“, betonte der Innenminister.
Damit möglichst viele Fälle von Hate Speech zur Anzeige gebracht werden, hat die Justiz verschiedene Online-Meldeverfahren eingerichtet:
- für alle Arten von Hate Speech gemeinsam mit dem Innen- und Sozialministerium sowie dem Sozialministerium Baden-Württemberg mit der baden-württembergischen Meldestelle ″REspect!“. Unter www.meldestelle-respect.de können alle Bürgerinnen und Bürger Hate Speech einfach online anzeigen und eine Beratung erhalten.
- zusätzlich für Online-Straftaten mit antisemitischem Hintergrund mit der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS), für Medienschaffende mit der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), für queerfeindliche Online-Straftaten mit der Münchner Fachstelle „Strong!“ (www.strong-community.de)
- sowie für Kommunalpolitikerinnen und -politiker sowie Abgeordnete des Landtages, des Bundestages und des Europaparlaments.
Eisenreich: „Es ist wichtig, dass jeder Einzelne in der Gesellschaft Hass offen widerspricht – sei es am Stammtisch, am Gartenzaun oder im Internet. Wir sind daher auch maßgeblich auf die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Mein Appell: Zeigen Sie Hass und Hetze bei Polizei oder Staatsanwaltschaft an.“
„Um die Opfer von Hasskriminalität noch besser zu unterstützen, haben wir im Frühjahr 2023 beim Polizeipräsidium Mittelfranken ein Pilotprojekt gestartet. Die Geschädigten werden direkt nach der Anzeigeerstattung an eine geeignete Beratungsstelle weitervermittelt, wenn sie das möchten“, so der bayerische Innenminister weiter. Und auch der ‚Beauftragte der Bayerischen Polizei gegen Hasskriminalität, insbesondere Antisemitismus‘, der auch bei der polizeiinternen Aus- und Fortbildung neue Impulse setze, sei neben den Ansprechpartnern bei jeder Polizeiinspektion ein wichtiger Grundpfeiler im Kampf gegen die Hasskriminalität, betonte Herrmann abschließend.
Bericht: Bayerisches Innenministerium