Erkenntnisse erzählen vom mittelalterlichen Leben in München
MÜNCHEN. Historische Spurensuche mit kriminalistischer Expertise: Der Fachbereich für Biologie des Bayerischen Landeskriminalamts (BLKA) hat für die Archäologische Staatssammlung Jahrhunderte alte, gut erhaltene Haarbüschel untersucht, die bei Ausgrabungen am Marienhof im Münchner Stadtzentrum entdeckt worden waren. Dabei stellten sie unter anderem fest, dass es sich sowohl um tierische als auch um menschliche Haare handelt – und letztere bewusst abgetrennt waren wie nach einem Friseurbesuch.
Archäologinnen und Archäologen entdeckten die Haare in einem ehemaligen Brunnenschacht, der um das Jahr 1261 angelegt und mit Hölzern ausgekleidet wurde. Es handelt sich dabei um die älteste bislang bekannte Baukonstruktion Münchens. Im Lauf der Jahrhunderte wurden in den Schacht mehrere Schichten unter anderem mit Bauschutt eingefüllt, um ihn als Latrine zu nutzen. In den oberen Schichten entdeckten Archäologen die Haarbüschel. Sie werden auf die Zeit zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert datiert. Für die Archäologische Staatssammlung sind die Erkenntnisse des BLKA ein wichtiger Mosaikstein bei der Rekonstruktion des Gesamtbildes, wie die Menschen im Spätmittelalter in München lebten, aussahen und worauf sie dabei Wert legten.
„Menschliche Haare an sich haben in allen Kulturen eine besondere Bedeutung“, sagt Dr. Eleonore Wintergerst, Archäologin an der Archäologischen Staatssammlung, die mit der Bearbeitung der Funde befasst ist. „Dieser Fund zeigt, dass diese Person eine Frisur hatte.“
In dem früheren Brunnen sei der persönliche Abfall von Menschen entsorgt worden. Von welchem Tier die nichtmenschlichen Haare stammen, lässt sich nicht mehr bestimmen. Am Münchner Marienhof wird seit 2017 für die Zweite Stammstrecke der S-Bahn gebaut. Dort entsteht in den nächsten Jahren eine neue Station. Im Zuge dessen laufen auf dem Marienhof schon seit 2011 archäologische Untersuchungen zur Vorbereitung der Bauarbeiten. Dabei wurden zahlreiche Gegenstände ausgegraben, die bis in die Zeit der Stadtgründung zurückreichen – und zum Teil noch älter sind. Haare sind wegen der hiesigen klimatischen Bedingungen ein seltener Fund. Organisches Material wird normalerweise im Boden zersetzt und ist archäologisch bestenfalls als Verfärbung des Bodens nachzuweisen. Im Brunnenschacht am Münchner Marienhof blieben die Haare durch Feuchtigkeit bei gleichzeitigem Luftabschluss erhalten.
Im Sachgebiet Mikrospuren/Biologie im BLKA sind die Expertinnen und Experten zu finden, wenn es um die morphologische Untersuchung von Haaren geht. Sie analysieren zum Beispiel die Struktur von Menschen- und Tierhaaren anhand mikroskopischer Merkmale. Üblicherweise untersuchen die Biologinnen und Biologen nach einer Straftat Haare als Spuren, um sie einem Täter oder einem Opfer zuzuordnen. In besonderen Fällen können aber auch Stellen wie die Archäologische Staatssammlung ihre Expertise als Amtshilfe zu Rate ziehen.
Bericht: Bayerisches Landeskriminalamt