AMBERG-SULZBACH. Seit 100 Tagen ist Dr. Martin Schreiner als Leiter des Bergbau- und Industriemuseums/Kultur-Schloss Theuern im Amt. Zu seinem ersten „Jubiläum“ erhielt er nun Besuch von seinem Dienstherrn Landrat Richard Reisinger. Dieser lobt ihn als „bestens qualifiziert, um die Wissenschaft mit dem Kulturbetrieb im Schloss zu vereinen“. Genau das schwebt dem gebürtigen Oberpfälzer und passionierten Historiker vor: das Bergbau- und Industriemuseum Ostbayern (BIMO) als lebendigen Forschungs- und Lernort und das Kultur-Schloss Theuern als attraktives Veranstaltungszentrum zu etablieren. Über seine Vision spricht Dr. Martin Schreiner im Interview:
Herr Dr. Schreiner, wie haben Sie sich eingelebt?
Dr. Schreiner: Ich habe mich mittlerweile sehr gut eingelebt und fühle mich hier ausgesprochen wohl. Das ist vor allem auf meine großartigen Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeiter zurückzuführen, die mir jeden Tag in allen Belangen vollstes Vertrauen und umfassende Unterstützung entgegenbringen. Besonders bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei Landrat Richard Reisinger, der stets ein offenes Ohr für meine Ideen und Anliegen hat. Als treibende Kraft und starker Förderer des Hammerherrenschlosses macht er den Fortbestand und die Weiterentwicklung des Veranstaltungs- und Museumsstandortes Theuern überhaupt erst möglich. Mit seinem Engagement verschafft der Landrat langfristig gesehen dem Landkreis Amberg-Sulzbach nicht nur bezogen auf die regionale Bergbau- und Industriegeschichte eine konservatorische Leuchtturmfunktion in Ostbayern, sondern auch eine Schlüsselposition innerhalb des ostbayerischen Kultursektors.
Haben Sie schon einen Lieblingsort im Schloss?
Dr. Schreiner: Mein Lieblingsort im spätbarocken Schloss ist der Saal im ersten Stockwerk des Hauptgebäudes, zu dem ausgehend vom Foyer die historische Holztreppe führt. Denn hier stelle ich mir immer vor, welche Persönlichkeiten über die breiten knarzenden Eichendielen der Treppe zum Saal hinauf geschritten sind und wie einst die Hammerherren mit ihrem Gefolge im Schloss residierten und rauschende Feste feierten.
Sind es diese Vorstellungen, die Sie so an Alter Geschichte faszinieren?
Dr. Schreiner: Mich fasziniert die geheimnisvolle Aura, die die Kulturen der antiken Welt umweht. Sie bilden bis heute das geistig-kulturelle Fundament der europäischen Zivilisation. Ich denke hier zum Beispiel an die altgriechische Philosophie – sie ist immer noch die Grundlage für unser heutiges Denken und Handeln –, die Idee einer agonalen Gesellschaft, die auf allen Ebenen nach Perfektion strebende antike Kunst, Demokratie, antike Technik etc. Fachlich gibt es viele weitere Punkte. Ich greife mal ein paar wesentliche Aspekte raus. Das ist zum einen die bereits angeführte altgriechische Philosophie. Besonders beeindruckend finde ich die Scharfsinnigkeit und Zeitlosigkeit, die sich in vielen überlieferten Texten widerspiegelt. Eines meiner Hauptinteressensgebiete stellt die Eisenerzeugung und -verarbeitung in der Antike und im Frühmittelalter dar.
In welcher Epoche hätten Sie als Oberpfälzer gerne hier gelebt?
Dr. Schreiner: Ich hätte gerne im Spätmittelalter hier gelebt, als die Oberpfalz ein Eisenzentrum von europaweiter Bedeutung war und die Eisenverarbeitung für die Region eine herausragende Rolle spielte. Allzu gerne würde ich die damaligen Anlagen zur Eisengewinnung, die Eisenhämmer und Schmieden in vollem Betrieb sehen und den Handwerkern bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen.
… und eine pulsierende Region erleben, die weit über ihre Grenzen hinausstrahlt.
Dr. Schreiner: Ja, in der Tat. Die relativ leicht abbaubaren Eisenerze der Oberpfalz wurden nachweislich schon vor zwei Jahrtausenden zur Erzeugung von Eisenwerkstoffen genutzt. Seine Blüte erreichte die Eisenerzeugung und -verarbeitung in der Oberpfalz in der Zeit vom 14. bis zum 17. Jahrhundert. In diesem Zeitraum war die Oberpfalz ein Eisenzentrum mit überregionaler Strahlkraft und europaweiter Bedeutung. Die Strahlkraft bezieht sich für mich jedoch nicht nur auf den Ausstoß an Eisenwerkstoffen und -waren, sondern auch auf das konkrete technische Können im Bereich der Eisenerzeugung und -verarbeitung, das sich im Laufe von Jahrhunderten hier in der Oberpfalz entfalten konnte.
Welche Schwerpunkte setzen Sie künftig?
Dr. Schreiner: Mein grundsätzliches Ziel für die künftige Entwicklung des Veranstaltungssektors ist es, die Attraktivität des Programmes für die Menschen aus der Region zu steigern. Das zukünftige Grundkonzept des Museumsbetriebes lässt sich mit den folgenden Schlagworten, mit denen die Grundaufgaben einer musealen Einrichtung definiert werden, beschreiben: Bewahren, Sammeln, Dokumentieren, Erforschen und Vermitteln. Durch eine Fokussierung dieser Leitlinien soll eine nachhaltige Modernisierung und Professionalisierung des Museumsbetriebes erreicht werden. Die Anziehungskraft der Ausstellungen soll durch eine Orientierung an den heutigen Wünschen und Bedürfnissen der Museumsbesucher sukzessive gesteigert werden.
Geht es Ihnen darum, das Bewusstsein für die Geschichte dieser Region weiter zu schärfen?
Dr. Schreiner: Ja absolut! Langfristig möchte ich das BIMO Theuern als Zentrum, ja mehr noch zu einer taktgebenden Herzkammer für die Erforschung und Darstellung der ostbayerischen Montangeschichte etablieren. Das Museum soll zum lebendigen Forschungs- und Lernort werden und die Besucher für Handwerk, Bergbau und Industrie begeistern. Langfristig wollen wir für junge Menschen zu einem identitätsstiftenden Vergegenwärtigungsort eines Teils der Oberpfälzer Historie werden und damit innerhalb der Region zu einem kulturellen Identifikationsfaktor. Die Grundbotschaft, die zukünftig vom BIMO Theuern an die Menschen in der Oberpfalz gesendet werden soll, lautet: „Wir sind eure Geschichte und werden dafür Sorge tragen, dass auch die zukünftigen Generationen noch wissen werden, woher sie kommen und dass viele ihrer Vorfahren stolze Bergmänner, Hüttenleute und Schmiede waren.“
Wie sehen die Bedürfnisse moderner Museumsbesucher aus?
Dr. Schreiner: Der moderne Besucher möchte in einer Ausstellung nicht nur reine Information bereitgestellt bekommen, sondern vor allem auch unterhalten werden und über Mitmachstationen die Möglichkeit zur Interaktion angeboten bekommen. Dass heute der Einsatz moderner Medien im Kontext der Objektpräsentation und allgemein im Bereich Ausstellungsgestaltung erwartet wird, versteht sich von selbst. Ebenso muss heute der digitale Raum im Rahmen der Präsentationsgestaltung Beachtung finden und in das Konzept einer Ausstellung soweit als möglich eingebunden werden. Gleichzeitig darf aber – trotz aller Digitalisierungsmaßnahmen und sonstiger technischer Modernisierungen – nicht aus dem Blickfeld geraten, dass die musealen Objekte immer noch den Kern einer Ausstellung bilden.
Sind Neuerungen in Sachen Marketing angedacht?
Dr. Schreiner: Aktuell sind wir gerade dabei, eine neue Social Media-Strategie für das Kultur-Schloss Theuern / BIMO zu entwickeln, die im Laufe dieses Jahres umgesetzt werden wird. Im März dieses Jahres haben wir in Zusammenarbeit mit der Universität Regensburg damit begonnen, einen Imagefilm zum Bergbau- und Industriemuseum Ostbayern als künftigen Standort der experimentalarchäologischen Eisenforschung herzustellen. Der Film wird nach seiner Fertigstellung nicht nur über die gängigen Internetportale abrufbar sein, sondern soll auch im Rahmen von Ausstellungen, Vorträgen und Messe-Auftritten gezeigt werden. Im musealen Bereich führen wir eine grundlegende Modernisierung der Objekt-Erfassung und Inventarisation durch. Durch die Entwicklung innovativer Präsentationskonzepte, des Ausbaus digitaler Angebote und Vermittlungsmethoden sowie durch regelmäßige Museumspublikationen sollen neue Zielgruppen erschlossen werden.
Mit dem Lehrstuhl für Alte Geschichte der Uni Regensburg ist eine Kooperation vereinbart. Was ist geplant?
Dr. Schreiner: Kern der Kooperation ist die experimentelle Auseinandersetzung mit antiken Werkstoffen und Techniken. Darüber hinaus soll im Rahmen der Zusammenarbeit eine Verknüpfung der wissenschaftlichen Ressourcen der Universität Regensburg mit unseren musealen Möglichkeiten angestrebt werden und ein kontinuierlicher Wissenstransfer und Ideenaustausch zwischen den Institutionen stattfinden. Durch die Schaffung eines überregionalen Netzwerkes von Wissenschaftlern, die sich mit historischen Techniken und Werkstoffen befassen, soll ferner eine gezielte Bündelung von Kompetenzen und Wissen – insbesondere im Bereich der experimentellen Eisenforschung – in der Oberpfalz erreicht werden. Das BIMO Theuern soll als lebendiger Forschungs- und Lernort etabliert werden, der im Stande ist, junge Menschen für Handwerk, Bergbau und Industrie zu begeistern. Für die Universität Regensburg soll sich über Projektübungen bzw. Blockveranstaltungen ein didaktisches Potenzial erschließen, das sich aus einer praktischen Beschäftigung mit historischen Werkmaterialien und Produktionsverfahren für zukünftige Geschichtslehrer und Museumspädagogen ergibt. Denkbar ist auch, dass zukünftig für Studierende der Universität Regensburg Kooperationsseminare zur Museumspädagogik oder Ausstellungsgestaltung angeboten werden. Die Ergebnisse der Kooperation werden im Kontext von Ausstellungen, Vorträgen, Tagungen, Filmsequenzen und Publikationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Wann werden Kultur- und Museumsbetrieb voraussichtlich wiedereröffnen?
Dr. Schreiner: Das kommt auf den Baufortschritt an, der in diesem Jahr erzielt werden kann. Bezüglich der Neugestaltung der Dauerausstellung ist festzuhalten, dass mit der Umsetzung eines wesentlichen Teils der Ausstellung sobald als möglich begonnen wird. Trotz der Baumaßnahmen sind die Außenstellen des Museums und ein Teil der Dauerausstellung zugänglich, sofern die Corona-Krise bewältigt ist. Und dann wird es auch wieder kleinere Kulturveranstaltungen und Sonderausstellungen im Kultur-Schloss Theuern geben.
Haben Sie schon eine Idee für die Eröffnungsveranstaltung?
Dr. Schreiner: Noch nichts Konkretes, aber es wird auf jeden Fall ein rauschendes Fest geben, das mit Sicherheit auch den alten Hammerherren gefallen hätte.
Zur Person
Dr. Martin Schreiner (33 Jahre)
Aufgewachsen in Blaibach im Landkreis Cham
Dissertation im Fach Alte Geschichte über die Eisenverarbeitung in der Spätantike und im Frühmittelalter
Leitet seit 1.1.2020 das Bergbau- und Industriemuseum Ostbayern (BIMO)/Kultur-Schloss Theuern
Bericht: Landratsamt Amberg-Sulzbach